Kenia - run2gether: Laufen mit den Weltbesten

Bericht eines Aktivurlaubes im run2gether-Laufcamp in Kiambogo/Kenia

Was macht man, wenn es im Laufhobby nicht mehr vorwärts geht? Frauen kaufen neue Klamotten und Schuhe, Männer neue Laufuhren und PC Programme. Und dann? Ein Trainingslager muss her, wenn Nichts mehr hilft! Nein! Das wirklich vorab! Dies war nicht der Grund, warum ich mich für 2 Wochen Laufurlaub in Kenia interessierte. Meine Leistungen 2018 waren angefangen von den Deutschen Meisterschaften über 100 km Anfang des Jahres mit persönlicher Bestzeit von 8:14 h, was Platz 3 der AK und am Jahresende Platz 17. der Weltrangliste der M50 bedeutete, für mich sehr erfreulich und trotz des Älter werdens ein Schritt vorwärts. Ein Urlaub mit etwas Aktivität, kombiniert mit dem Kennenlernen von Afrika in Form der Menschen des „Landes“, nicht nur eines 5 Sterne Hotelpersonals und der Tier-Nationalparks im Sinne von „Reality-TV“ statt „Terra-X“ im Fernsehen, sowie evtl. der Beantwortung der ewigen Frage: Warum sind die Afrikaner so schnell im Laufen? Das war der Traum!
Bei einem Ultralauf – bei dem man sich bekannter Weise auf Grund des nicht so hektischen Tempos öfter unterhält -hatte man mir den Tipp mit „run2gether“ gegeben. Google fand es schnell und der Kontakt zu Tim dem Organisator war schnell gemacht: Termin fixiert, Flug gebucht, Visa beantragt und Flug-Daten an Tim, damit der Abholservice am Flughafen in Nairobi funktioniert, weitergegeben. Und es klappte perfekt. Ich wurde abends um 21:00 Uhr freundlich am Flughafen abgeholt für die ca. 1,5 h Stunden Fahrt im Jeep nach Kiambogo, was im Hochland – ca. 2400 m ü.M. – westlich von Nairobi liegt. (Hinweis: Am Flughafen werden bei der Einreise unabhängig von Eurem Visum ein „Passfoto“ und alle Fingerabdrücke abgenommen. Dauert ungefähr 10 min! Die Wartezeit bis zum Gepäck ist somit abhängig davon, wieviele „Nichtkenianer“ einreisen wollen. Bei der Ausreise werden nochmals die Fingerabdrücke der rechten Hand erhoben, um sicher zu sein, dass Ihr wieder draußen seit. Gilt auch für neue Passinhaber!). 
Mein Zimmer ist groß und freundlich und hat eine Terasse Richtung Süden mit Blick Richtung dem erloschenen Vulkan Longonot. Am nächsten Tag nach dem Frühstück, werde ich nochmals – das hatte Tim schon einmal in der ersten Kontaktaufnahme getan – nach meinen Wünschen und Vorstellungen für die 2 Wochen gefragt. Ob ich einen speziellen Trainingsplan für mich hätte. Ob ich und welche Safaris ich evtl. in welche Nationalparks machen wollte, etc…..(Das Camp besitzt für Gäste sozusagen einen eigenen Ranger, der für alle Nationalparks die Zulassung zum Guide hat!) => Einen Trainingsplan hatte ich für die 2 Wochen nicht, obwohl ich sonst 5-6x/Woche laufe. Wenn man aus dem Schwarzwald kommend von rund 700 m ü.M. auf nun 2400 m ü.M. laufen will, und man sich dann klar macht, dass dies nicht „gebügelte“ Asphaltwege, sondern echte Trailwege sind, und ich ja auch für die Akklimatisierung Zeit brauchte, hielt ich das nicht für sinnvoll. Plan: Um das echte „Kenia-Lauffeeling“ zu bekommen: Zeitlich/terminlich mit den Spitzenathleten des Camps – vor allem Weltklasse Bergläufer – mitlaufen, nur deutlich langsamer, kürzer, und sozusagen „Kreisliga“ statt „Champions League“. Safariparks wollte ich nur einen am Abreisetag in Nairobi ansehen und eben mehr in „die Menschen“ selbst eintauchen. Na dann…………………: Mir wurde ein „persönlicher Coach“ zugeteilt (Danke, Francis, Du warst Klasse!), der die gesamten 2 Wochen, jeden (!) meiner Läufe begleitet hat, immer gewartet, oder mich gebremst hat, auf mein „Hescheln“ oder „Ich will ein Foto machen“ Rücksicht genommen hat, mit dem ich mich bei den langsamen Läufen von mir gerne unterhalten habe und von dem ich viel über das Land gelernt habe. Sogar einige Heilpflanzen hat er mir gezeigt! Der Tagesablauf sah demnach ungefähr so aus: 
Montags bis Samstag jeweils 6:30 Uhr nüchtern nach einem 10 min Warm-up – dient auch zum vollständigen Wachmachen – mit Sprüngen und Skippings, etc. in allen Variationen, 1-1,5 Stunden Morgenlauf. Nur Samstags können dies auch mal 2 Stunden sein: Für mich hies dies 10 km bis am Samstag einmal 25 km. Bei den Kenianer waren es dann auch schon bis zu 30-35 km! 
Komischerweise hat mir dieser Nüchternlauf bei der Kohlenhydrat reichen Ernährung mit Ugali/Polenta, Reis, Kartoffeln und immer frischem Gemüse, Grünkohl, Linsen, Bohnen, etc.  Nichts ausgemacht. Auch die 25 km nüchtern nicht! 
Um ca. 8:00 Uhr gab es jeweils Frühstück: Immer frisches Obst, den Kenianischen-Schwarztee mit Milch und Zucker, weiches Toastbrot für Marmelade, Honig o.ä. und die unvermeindlichen Chapati, ein ganz dünnes Fladenbrot aus Weizenmehl und Wasser in einer eisernen Pfanne gebacken. Lecker!!!
An ca. 2 Tagen die Woche findet um 9:30 Uhr die nächste Einheit in Form von Intervalltraining oder ein Coach kontrolliertes intensives Stabilisations- und Flexibilitätstraining statt. Letzteres ist wohl am unbeliebtesten bei den Läufern. Aber selbst mir als ehemaligen Kunstturner, der ja immer noch Stabilität der Körpermitte/Core fitness und Flexibilität beherrschen müsste: Anstrengend und zu Hause – wieder besseres Wissen – seit fast 30 Jahren nicht mehr gemacht. (Sorry, liebe Patienten, ich werde mich bessern!). 
Ca. 12:30 Uhr Mittagessen: Wie das Abendessen immer warm und im „Inhalt“ wie oben bereits das Abendessen beschrieben. Obst gab es extra!
Mittagspause: Die Athleten waschen ihre Wäsche und Schuhe, ich mache Mittagsschlaf oder einen Spaziergang ins Dorf. Um 16:00 Uhr nächster Lauf: Meist ruhig ca. 65 % der Leistung und von rund 1 Stunde Dauer. Dann erreicht man auch sicher den „5-Uhr Tee“. Den ehemaligen Einfluss der Engländer merkt man an diesem „Termin“ ebenso, wie am Linksverkehr, dem Brot und vielen Besitzungen im nahe gelegenen Naivasha und rund um den dortigen See, auf dem die Engländer früher ihren „Wasserflugzeug-Flugplatz“ hatten. 
Gemütliches Beisammensein und viele Gespräche: Es wird Billard, Karten oder Brettspiele gespielt. Ca. 19:00 Uhr ist Abendessen – also mit Sonnenuntergang – und zumindest ich gehe zwischen 20 und 21 Uhr ins Bett. Deswegen fällt mir das Aufstehen um 6:00 auch nicht schwer. Sonntags ist frei für Familie und Kirchgang! 
Ich ziehe dieses Training auf meinem niedrigen Niveau in der Art mit durch.  Aber ihr werdet sagen, für Profis, das heißt diese Jungs, ist das doch Welt weit normal. Warum sind die dann so schnell?
Hier muss man eben die kleinen Nebendinge beachten: 
Das run2gether-Camp unterstützt und finanziert u.a. einen Kindergarten für ca. 30 Waisenkinder und auch eine Primary School. Ich habe mir beides angesehen und u.a. feststellen können: Die Kinder, die in den Kindergarten kommen, kommen als Kinder in Gruppen aus der Umgegend. Fussweg pro Strecke ca. 2-3 km! Zu Fuß jeden Morgen und jeden Nachmittag zurück und in „Gruppen“ von 2-3 Kindern! Nicht von den Eltern im SUV bis vor die Kindergartenpforte gefahren! Und wer zu spät aufsteht: Eilt sich und rennt! 
Auf einem meiner Spaziergänge in das Dorf, traf ich eine Mutter mit Kind an der Hand, die ich angesprochen habe: Die beiden, Mutter und 2 (!) – jähriges Kind, waren zum Einkaufen unterwegs. Hin und zurück ca. 5km! Mit 2 Jahren zu Fuß! Kein Kinderwagen oder Buggy! Und nochmals: Dies sind von den Wegen her schlechte Feldwege und wir befinden uns auf 2400 m ü.M. ! Ja und in der Kindergarten oder Schulpause: Bewegungsspiele: Wettläufe, Sackhüpfen etc.. Und wo sind die Kinder, wenn sie zu Hause sind, also Schulfrei haben? Draußen zum Spielen und Toben! Außer bei Gewittern der Regenzeit. Wo sollen sie auch sonst sein, wenn die Häuser dort nur 1 bis 2 Zimmer enthalten, mit jeweils vielleicht 10-12 qm?. 
Übergewichtige Kinder habe ich auf dem Land dort nicht gesehen – wohl auf dem Heimweg dann in Nairobi -, dafür aber 3-4 jährige Kinder, die mich bei einem Lauftempo von 5:00 bis 5:30 min auf den Kilometer in Jacke und mit Kindergartenrucksack begleitet haben, bis sie zu ihrer Hütte abgebogen sind. Dabei fragten sie mich noch eifrig, wie es mir geht und wie ich heiße! Drei bis 4 jährige Kinder! Diese Kinder sind sicher das „Grundpotential“ der kenianischen Laufleistung. Später ist es sicher die Ernährung und das „Ziel“:
Die o.g. Kohlenhydrat reiche Ernährung plus frisches Obst und Gemüse ist neben der Vermeidung von Zivilisationssünden ein echter Pluspunkt: Im Camp besteht Alkoholverbot für die Läufer, Softdrinks habe ich im Camp auch nicht gesehen, rauchen tut natürlich keiner und Süßigkeiten: Nur einmal als ein anderer Gast eine Tüte Gummibärchen teilte! 
Das „Ziel“ der Läufer: Ein gutes Monatsgehalt beträgt dort 100 €. Siegprämien von Läufen in Europa können den Lebensstandard einer ganzen Familie anheben. Diese Läufer laufen nicht nur als Profis, sondern im besten Sinne für ein besseres Leben. Nicht wie ein deutscher Profi – der natürlich auch hart trainiert, aber existentiell über „Sportfördergruppe“ der Bundeswehr oder Polizei oder seine Familie abgesichert ist. 
Und dann natürlich die Trainingssituation: Wer auf 2400 bis 2700 m ü.M. lebt und trainiert und jeder Weg, selbst die beste Stadionrunde, ein unebener Trail oder rutschige Asche/Staub ist, wer einen 15 km Lauf auf solchen Trailstrecken mit zusätzlichen 500 Höhenmetern im Temposchnitt von 3:25 min/km trainiert, für den ist ein Stadtmarathon auf Asphalt, fast ohne Höhenmeter in der „Tiefebene“ eine Lauferleichterung und Freude über den „Grip“ und Vortrieb der Füße! Somit: Verständlich und hart verdient, dass diese Läufer gewinnen! Und ich gönne es ihnen von Herzen. 

Meine Frage ist beantwortet und ich hatte 2 extrem schöne und Erlebnis reiche Urlaubs-Wochen, mit ganz viel Gastfreundschaft und vielen Gesprächen über Probleme, Wünsche und Träume der Läufer und die des Landes sowie über die Landbevölkerung erfahren. Auch ist mir persönlich nochmals klar geworden, wie gut es uns in Deutschland/Europa geht und wieviel Glück es bedeutet z.B. auch jedewede Ausbildung, notfalls mittels Bafög o.ä., von unserem Staat ermöglicht zu bekommen (sofern wir uns ein bisserl anstrengen).

Ich möchte auch nochmal betonen: Francis – mein persönlicher Begleiter während der Läufe – hat mich nie überfordert, und wie ich erfahren habe, hätte er, wie auch alle anderen Läufer, wenn sie Gäste betreuen, mich auch in einem Tempo von 7:00 min pro Kilometer begleitet. Dies ist auch so, wie mir 2 Frauen, die parallel zu mir während der letzten beiden Tage meines Aufenthaltes vor Ort waren, bestätigten. Also habt keine Angst zu kommen! Im Übrigen, könnt ihr auch viel weniger Laufen als ich, und mehr Safaris machen oder einfach nur die afrikanische Sonne und den tollen Blick über die Ebene hinüber zum Vulkan Mount Longonot genießen! 
Ich werde jedenfalls wiederkommen! Das ist sicher!! Danke Team „run2gether“!

Bilder: 1. Sonnenaufgang beim Blick von meiner Terrasse Richtung Mount Longonot. 2. Kindergartenkinder auf dem Weg nach Hause begleiten uns kurz (Lauftempo ca. 5:30 min/km!). 3. Mein „Laufcoach“ vor mir laufend in einem kleinen, in der Regenzeit entstandenen Canyon. 4. Gemütliches Beisammensein und Kartenspielen beim 17:00 Uhr Tee. 5. Aussicht beim Morgenlauf und Blick über die Ebenen.