Spartathlon 2011:"I did it again. But why?"

Spartathlon 30.9.-1.10.2011: „Ups, I did it again..“ (oder so ähnlich)

Vorwort:
Vorab für Neuleser nochmals  der Hintergrund (Kursivdruck).  Dieser Bericht ist etwas kürzer und anders in seiner Art als 2010, bezieht sich aber auch auf den von  2010. Also evtl. auch den Text von 2010 lesen.

Der Hintergrund in Kürze: 490 vor Christi wollen die Perser in Athen landen. Die Athener, auf Grund der Größe der persischen Armee, keineswegs Sieges sicher, schicken den Laufkurier Pheidippidis nach Sparta um Hilfe zu holen. Nach Herodots Bericht – wohl ca. 50 Jahre danach aufgeschrieben – kam Pheidippidis am Abend des darauf folgenden Tages, demnach nach 36 Stunden in Sparta an. (Da die Spartaner auf Grund ihrer Religion nicht sofort los ziehen konnten wurde die Schlacht bei Marathon bereits ohne sie geschlagen und führte zu dem bekannten Ergebnis und dem ebenso bekannten heroischen Botenlauf von 40 km nach Athen mit versterben des Boten).
John Folden ein Engländer, Offizier der englischen Armee und Liebhaber von Historie versuchte den Lauf von Athen auch unter Berücksichtigung der damaligen „Straßen“ und Verbündeten der Athener nachzuvollziehen: So führt der Weg über die heilige Straße nach Elefsina und Megara nach Isthmia, von dort zum antiken Korinth. Im Pellepones geht es weiter nach Nemea, ebenfalls eine der wichtigsten Städte im antiken Griechenland, über den Gebirgspass nach Sangas, Nestani und Tegea bis man schließlich nach rund 250 km in Sparta ankommt. John Folden führte den „Testlauf“ 1982 mit 2 Freunden durch: Sie schafften es in 36 Stunden. Die Geschichte von Herodot war nachvollzogen.


Spartathlon: 246 km, ca. 3000 Höhenmeter, fast immer 30° C ohne Schatten, im Gebirge sind Gewitter und Temperaturabfälle bis runter auf 5°C möglich; plus starker Wind und nur 36 Stunden Zeit => Das sind die Daten dieses längsten Non-Stop Ultramarathons der Welt. Als kleines Extra: Betreuung erst ab Kilometer 80 erlaubt und auch nur in Form von Kontakten zum Betreuer alle 15 km nicht in Form einer Begleitung, d.h. er darf dem Läufer Dinge anreichen (Jacke, etc.), aber nicht mehr.  Hinzu kommen konsequente Zeitlimits, die zwar den „körperlichen Verfall“ mit berücksichtigen, aber die Mann/Frau unter vorgenannten Bedingungen erst einmal einhalten muss.

Ich stehe Freitagmorgen schon wieder um ca. 6:30 Uhr unter der Akropolis in der Startvorbereitung. „Wie konnte das passieren?“ Dietmar hätte sich nicht im Frühjahr überreden lassen sollen, „´mal zur Sicherheit zu melden“. „Absagen kannst Du ja noch.“ Noch eine halbe Stunde bis zum Start, in der mir diverse Gedanken durch den Kopf schießen. U.a.: „250 km? 1 Stunde, wenn´s sein muss.“ (Zitat eines Motorradfreaks.) „Ist das Gesund?“ (= Die ewige Frage an einen Arzt!=> Ja, es ist gesund, wenn es mit Kopf gemacht wird. Wie Alles im Leben. Und sicher gesünder als zur „Amerikanischen Botschaft mit dem Mc ….in jeder Stadt essen zu gehen; einen Namen den ich von der nachfolgenden Generation für dieses Restaurant erst lernen musste). „Hast Du Probleme? Du kannst immer mit mir reden!“ (= Ja, habe ich ,mit der deutschen Politik, wie jeder Bürger in Deutschland der nicht Chef einer Bank oder einer Partei ist. Kannst Du aber nicht ändern!! Und deswegen laufe ich nicht!)…….. Viele Gedanken.
Aber: Ich bin auch dankbar! Denn ich kann hier stehen.
1) Kleine Glückmomente: Hansueli aus der Schweiz hat mich im Flugzeug auf dem Hinflug angesprochen und mich in seinem Mietwagen – seine Frau betreute ihn – mitgenommen und mir den Busstreik „erspart“. Der höchste Schwarzmarkttaxipreis Flughafen zum Hotel soll bei 250 EUR gelegen haben!. Danke an Hansueli!!
2) Große: Ich habe es geschafft, mich einigermaßen vorzubereiten. Ich habe mich nicht „Wein, Weib und Gesang“ hingegeben; meine kleine Fußverletzung von vor 1,5 Wochen ist geheilt – „Hoffentlich hälst Du da unten, auch die lange Distanz“ – d.h. die Entscheidung 1 ganze Woche besser gar Nichts zu machen, als den Trainingsplan durchziehen und verletzt sein, scheint okay, und ich fühle mich gut.  Nicht umsonst, habe ich ehrlich zu allen gesagt:“ Ich bin gut drauf!“. 

7:00 Uhr Start. Wie immer große historische Kulisse: Wir laufen durch den Smog und den Berufsverkehr von Athen, geschützt von in diesem Jahr privaten Helfern und  Polizei.
Ich rechne übrigens – trotz der Vorhersage von nur 23°C und Windstärke 4-5 mit eher 30°. „Wie immer halt!“. Bei ca. Kilometer 35 hole ich Andre ein, mein Begleiter von 2010. Ich hatte ihn ab Kilometer 81 einholen wollen. Er sieht nicht gut aus. Aber Andre ist ja erfahren und wird ab Kilometer 81 einen Betreuer haben. Ich spreche ihn kurz an. Er schickt mich weiter.  Das sieht nicht gut aus! Noch vor km 80 muss er wegen Kreislaufproblemen aussteigen.  Ca. Kilometer 42: Eine Apothekenanzeige zeigt mir 33°  an. „Wusste ich es doch!“ Irgentwann kurz danach erreicht mich Michael Vanicek, der am Ende 3 werden wird. Das kenn ich schon. Ist immer seine Zeit, mich einzuholen. Ich gehe halt immernoch zu schnell an?! Wir „quatschen“. Bei einem Checkpoint (=CP) schicke ich ihne weg: 1) Nehme ich mir gering mehr Zeit an den CPs als er – ich glaub bei manchen läuft er sogar vorbei? – und 2) Ich will auf diesem ersten Teil mit meinem Minifoto ein paar Bilder machen, für die ich anhalten muss. (Ich laufe auch nicht auf Zeit im eigentlichen Sinne. Ziel: 32 Stunden durchkommen. Traum: Die „2“, d.h. unter 30 Stunden.)

Bei Kilometer 81 bin ich 7:33 Stunden unterwegs und „Alles ist gut.“ Ein Grund ist meine Bier Versendung mit den drop bags – jeder Läufer kann sich an alle Kontrollpunkte Jacke oder Nahrung etc . hinschicken lassen: Warmes alkoholfreies Weizenbier, das meinen Magen beruhigt – siehe auch Bericht 2010 als Gegensatz!!! – : öffnen,  Kopf mit Wasser kühlen und weiter. Vielleicht 2 min nur hier!
Unterwegs dann das „Schaumbier“ trinken.  Ich schätze, dass ich 0,2 l aus der 0,33 l Flasche herausbekomme. Aber es tut meiner Seele gut. Auch weil es mit vermittelt: Glück gehabt, die Glasflasche ist weder beim Flug noch beim Transport zum Check point kaputt gegangen. Und ich bin schnell genug es bis zur nächsten Mülltonne – die so oft in Griechenland nicht herum stehen – leer zu trinken! Dietmar im Glück! Und er läuft. (Natürlich merke ich schon die Oberschenkelrückseite bei der Distanz und Hitze. Das ist normal, wird aber noch nicht schlimmer!). 

Nemea,  124 km die „Halbdistanz“: Und es ist hell!!!! 19:11 Uhr. Praktisch 6min Schnitt.  Auch nur schnelle Pause. Die Stirnlampe habe ich schon seit km 100 in der Tasche – ich verschicke sie zu den CP -andere Läufer nehmen sie zur Sicherheit von Anfang an in die Tasche-, aber hinterlege eher früh!! Wer weiß, ob ein Plan nicht auf einmal zusammenbricht und man 2 Stunden länger braucht.  Hatte wohl der Finne, der sich bei ca. km 134 an mein Licht hängt, nicht bedacht. Er wollte im Hellen bis km 154! Er heißt übrigens weder Ivan Cudin – der spätere Sieger -, noch Scott Jurek oder Jens Lukas, letzteren kennt ihr ja wohl alle (Ansonsten solltet ihr den Namen auf Grund eurer Unkenntnis „verschämt googlen“.).

Kilometer 148: Malendreni. Wie immer tolle Stimmung, alle nett. Das Wetter ist gut (siehe Bericht 2010), mir geht es gut: Weiter geht´s.
Kapparelli, direkt vor der  Sangas-Pass-Strasse. Ich laufe ein. Ein Läufer ist schon dort und bedient sich gerade, dreht sich um:“Dietmar, Du schon hier?“ „Ja“. Es ist Oliver Leu, ein Spitzenläufer und die Frage macht mich 1) stolz und 2) mir bewusst, dass es bei mir nicht nur gut, sondern gigantisch läuft. Wir laufen kurz zusammen, trennen uns dann aber, weil die Schrittfrequenz minimal anders ist. Oliver ist bergauf schneller.  
Ab 159  „Bergziegengang“ bergauf: Der berüchtigte Sangas-Pass, der von den Organisatoren wie immer mit grünen Flash-Lampen beschildert ist. Zwischendurch hört man noch Stimmen und es blitzt: Fotografen auf dem Pass – Oliver, bei Dir sind die Fotos auf der DVD super geworden!. Gott sei Dank, blendet mich der Blitz nicht; ich schaue ja auch nur auf den Boden direkt vor mir!
Oben: Es geht einfach gut. „Und so schlimm ist der Pass doch gar nicht. Und Du warst ja in diesem Jahr – immerhin 2x in den 9 Monaten – in der Wutachschlucht: Ich laufe runter!! Mein Mut wird belohnt. 1:13 Uhr Nestani = 172 km in gut 18 Stunde unter den Bedingungen.  Ich werde als Held begrüßt, bin ja auch auf Platz 6, sagt man mir. Ich antworte. „Platz 1-3 sind für die waren „Freaks“ das Ziel, für alle anderen wie mich zählt durchkommen“. Ich behalte diesen Satz bewusst noch die letzten 80 km im Kopf! „Geduld, Dietmar, Geduld!“ Verletzen nach dieser Distanz ist doof. Und Übermut hatten wir 2008 schon mal, als ich bei km 228 mit knapp 8 Stunden Restzeit ausgestiegen bin!!. Geduld!“.
Patrick überholt mich; er wird später 4. Wieder die Frage: „Dietmar, was machst Du hier“. Na, ich lauf halt und das nunmehr langsamer. Denn nun fehlt doch langsam Kraft. Aber, auch Patricks Frage setze ich positiv um, macht mich wieder stolz und zeigt mir: Keinerlei Grund zu jammern. Du bist „pfeilschnell“.  Nach Tegea bei km 198: Die Schnellstrasse. Und es ist dunkel!!! Mein Auge sieht den Berg nicht und der Verkehr ist noch gering. Viel leichter als 2010. „Ihr 24 Stunden Läufer habt es ja so leicht!“…….. Ironie und Neid sind zu diesem Zeitpunkt sicher erlaubt.
Thomas Stu und Oliver laufen auf mich auf und ein Japaner hat mich vorher schon überholt. (Im Ziel ist noch jemand vor mir, den ich nicht gesehen habe. Passagerer Support-Bus munkelt man???
Einige Läufer betrügen sich jedes Jahr selbst. „Rutsch mir den Buckel runter!!“  Diesen Lauf 2011 verdirbt mir keiner!!!!) Der deutsche 3er bleibt einige Kilometer zusammen, aber für mich stimmt auch hier die Schrittfrequenz oder -länge nicht. Vielleicht nur 5-10 sec auf den Km zu schnell. Daher bin ich froh als ich ab CP 66 die beiden mit Markus Thalmann, einer absoluten Spartathlongröße, wegschicke oder besser mich abmelde für´s Zurückbleiben. Weiter geht´s, der Tag wird schon wieder wärmer. Aber ich weiß: Keine Verletzung, hieße sicher unter 30 Stunden.  

Obwohl es mir körperlich für einen „Spartaner“ (eigentlich war Pheidippidis doch Athener?!) gut geht, zieht sich die Strasse wie Gummi. Bergab kann ich es „laufen lassen“. Die Oberschenkel schmerzen, aber ich rolle kontrolliert ab, trotz Blasen an den Füssen und ich übertreibe es nicht. Es ginge sogar noch schneller. Aber: „Es haben schon Pferde vor der Apotheke erbrochen!“ Nicht das mir einer der müden und völlig ausgetrockneten Muskel reißt – für die 2. Hälfte des Laufes ist es für Gesundheit gut, Orthopäde zu sein, man läuft „sicher“; für´s Tempo aber evtl. schlecht und manchmal steigt man sogar aus, wo andere noch laufen.  (Ich sehe auch am Folgetag einige Finsher, bei denen ich denke: Das war ein Spiel mit dem Feuer, und  sei nur dankbar, dass Du nur angebrannt, aber nicht verbrannt bist!).

Am Ortsrand von Sparta Kontrollpunkt 74. Noch 2,4 km.
„Jetzt, Dietmar, läßt Du dich nicht mehr überholen. Es geht nicht mehr gefährlich bergab oder bergauf. Und versuch schön flüssig zu laufen!“ Ein Polizeiauto begleitet mich ebenso wie viele Kinder. Rechtskurve: Die Fahnen geschmückte Straße ist auf den letzten 400 m von Zuschauern, Betreuern, ausgestiegenen Läufern und einigen schon Finishern – diese Jahr aber wenige, da die vor mir (ich laufe als 11. ein) im Rotkreuzzelt zur Versorgung der Fußblasen liegen oder im Hotel schon schlafen – gesäumt, die eine enge Gasse zu der Statue von Leonidas  bilden. „Mensch Michael (Hilzinger) was machst Du hier. Hattest Du das an Pech, was ich an Glück hatte?“ (Ja, hatte er wohl wie ich später erfuhr. Wie übrigens viele andere. )
Ich genieße wie 2010 den Jubel – aber doch anders – und das „Gänsehaut-Feeling“. Leonidasstatue. Ziel erreicht!!!!
Für mich gigantische 27:45:17 werden diese Jahr per Mika-Timing festgehalten!
Schön. Aber die Urkunde am Montag bei der Abschlussfeier zeigt wieder das wahre Ziel. Finishen in 36 Stunden! Ein Platz wird nicht angegeben auf der Urkunde, sondern Endzeit und Zwischenzeiten!
Nicht nur weil es mir wichtig ist, sondern auch weil ich als Deutscher – und wir haben dank der politischen Situation in Griechenland gerade eine schweren Stand – bedanke ich mich bei der „antiken Priesterin“ für das gereichte Wasser, beim Organisationschef für den Olivenkranz und die Auszeichnung (letztlich damit auch für den Einsatz der vielen freiwillgen Helfer an den CPs, die mir den Lauf ermöglichten). Er sagt auch danke; für meinen Einsatz beim „29. Spartathlon-Revival“. Letzteres zeigt, wie wichtig den Griechen diese Veranstaltung ist!
 Das sollten wir übrigens auch als Läufer beachten!! Persönlich halte ich es für
„ungehörig“ sich z.B. das gereichte Wasser über den Kopf zu schütten, wie ich bei einigen Läufern anderer Nationen sah!

Nachwort: Für mich persönlich war 2011 die Bestätigung, das 2010 das Ankommen kein Zufall war. Es hat Alles, aber auch Alles bei mir funktioniert: Magen, Muskeln, Gelenke, mentale Einstellung, etc..  Es kann komplett anders laufen. Nicht umsonst sind bezogen auf 370 vergebenen Startnummern nur 143 Läufer angekommen und somit die Ausfallquote bei über 60%. Wie immer halt!!!